InterTwig

InterTwig ist eine experimentelle Struktur, die Weide, ein kurzzyklisch nachwachsender Rohstoff, und Erde kombiniert. So soll das Potential neuer nachhaltigen Konstruktion basierend auf digitale Entwicklungs- und Fertigungsmethoden dargestellt werden. Ausgehend von einer Materialitätsperspektive wurden im Rahmen des Projekts historische Bautechniken mit natürlichen Materialien, wie z. B. Flechtwerk und Lehm, wieder aufgegriffen, um zu verstehen, wie diese im Kontext der vierten industriellen Revolution verbessert und nutzbar gemacht werden können.

Die Struktur wurde von einem interdisziplinären Team aus Student:innen und Wissenschaftler:innen des Karlsruhe Institute of Technology (KIT) entwickelt und ist das Produkt der Zusammenarbeit der beiden Professuren Digital Design and Fabrication (DDF) und Design of Structures (dos) an der Department of Architecture. InterTwig wurde, für die Öffentlichkeit sichtbar, im Juli 2022 auf dem Gelände von „Das Fest“ in Kalrsuhe ausgestellt. Im Oktober diesen Jahres wird die Struktur ebenfalls in den Niederlanden auf der „Dutch Design Week“ zu sehen sein.  

Der Entwurf besteht aus 21 vorgefertigten Komponenten, die in kurzer Zeit montiert und demontiert werden können. Für die stabile Basis der Struktur wurden dreiviertel der Elemente aus Weide und Erde geformt, die geometrisch verzahnt sind und gestapelt werden. Oben sind fünf Bauteile in unterschiedlichen Schichtrichtungen zu einem vertikalen Segment angeordnet, das auf integrierte Fugen setzt. Vorwiegend aus Weide gefertigt, zeigen sie wie filigran das Materialsystem ist.


Jedes Bauteil wird durch die Anordnung regionaler Weiden in einem Bett aus Holzstangen in einem additiven Verfahren hergestellt. Eine Vielzahl von geometrischen Mustern und räumlichen Anordnungen der Weidenzweige ermöglicht es, das ansonsten dünne und biegsame Material zu tragenden Konfigurationen zu formen, die durch den natürlichen Verbund von Erde, Naturfasern und Weide lokal noch verstärkt werden. Die Weide fungiert dabei als Dauerschalung und als Zugbewehrung.

Die digitalen Entwurfsmethoden ermöglichten zusammen mit der Materialforschung die Erforschung verschiedener geometrischer Varianten und gewährleisteten ein höheres Maß an Kontrolle über die Komplexität in den verschiedenen Maßstäben. Gleichzeitig bieten sie die Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit, die für die unterschiedlichen Bedingungen erforderlich sind. Die Struktur wurde in traditioneller Handwerkskunst mit Hilfe von Studenten des Karlsruher Instituts für Technologie entwickelt, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse wurden in einen maßgeschneiderten digitalen Herstellungsprozess übertragen.

Diese Forschungslinie soll mit neuen Prototypen in Originalgröße für die Bundesgartenschau in Mannheim im Jahr 2023 weiterentwickelt werden.

InterTwig als Teil des zirkulären Bauens

Der Bausektor ist für circa ein Drittel des weltweiten Rohstoffverbrauchs verantwortlich, eine Transformation hin zu einer zirkulären Bauwirtschaft, stellt eine riesige Möglichkeit dar, den rohstoffverbrauch in der Bauindustrie zu senken. InterTwig ist der erste Schritt eines Forschungsbereichs am KIT, der das Ziel verfolgt zirkuläre Konstruktionskonzepte, die durch ein digitales design und einer maschinellen Fabrikation, sowie der Erkundung neuartiger, miteinander verbundener Design- und Konstruktionsrepertoires. Konkret geht es um die Umsetzung zirkulärer biologischer Kreisläufe, bei denen erneuerbare pflanzliche Ressourcen am Ende ihres Lebenszyklus in die Biosphäre zurückgeführt werden. Während Holz heute der einzige bedeutende erneuerbare Baustoff ist, kann eine wirklich nachhaltige Entwicklung durch die Diversifizierung der erneuerbaren Materialien erreicht werden, um die Abhängigkeit von einer einzigen Ressource zu vermeiden. Regionale und schnell wachsende pflanzliche Materialien - wie Weide und Pappel - haben das Potenzial, die lokale europäische Version von Bambus zu werden. In Kombination mit Alternativen zu konventionellen Zuschlagstoffen - nämlich Ton und Lehm - zeigen sie, wie sie zu dauerhaften und strukturellen Bauelementen werden können. Digitale Design- und Fertigungsmethoden können diese globalen Herausforderungen angehen und neuartige Konzepte des digitalen Kreislaufbaus durch maßgeschneiderte Prozesse für erneuerbare und natürliche Materialien ermöglichen.


Wicker wird digital

Das Weidenflechten, eine Technik, bei der lange dünne Stäbe, Stängel oder Schilfrohre zu Körben geflochten werden, ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie Geometrie und textile Techniken genutzt werden können, um eine strukturelle Steifigkeit zu erreichen, die den Materialien sonst nicht innewohnt. Typisch für die traditionelle Herstellung, drückt "Wicker" die Absicht aus, auf lokale, erneuerbare Materialien und Techniken zurückzugreifen, die früher Teil des architektonischen und bautechnischen Repertoires waren, aber durch die erste industrielle Revolution verdrängt wurden. Ein Beispiel für eine solche Bauweise ist das in Europa übliche Flechtwerk, bei dem erneuerbare und natürliche Materialien zu einem nachhaltigen Verbundwerkstoff mit geringen Auswirkungen kombiniert werden. Digitale Entwurfs- und Fertigungsmethoden können die Industrialisierung natürlicher Materialien durch die Berücksichtigung von Abweichungen und Anomalien, die derzeit eines der größten Hindernisse in standardisierten Serienproduktionssystemen darstellen, wieder ermöglichen. Dank ihrer Flexibilität und Vielseitigkeit ermöglichen digitale Produktionstechniken Architekturkomponenten, die mit einer hohen Auflösung und Artikulation von Struktur und Materialität, aber auch mit abgestufter Transparenz und reichhaltigen visuellen Details entworfen und hergestellt werden. Schließlich können sie die automatisierte Produktion von Bauteilen in großem Maßstab ermöglichen und so ihre Umsetzung im Bauwesen erleichtern, sowohl in bautechnischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Galerie

Material und erste Untersuchungen

Design

Produktion & Entwicklung von digitalen Fabrikationssystemen

Zusammenbau

InterTwig bei Das Fest

Karlsruher Institut für Technologie – Fakultät für Architektur

Professur Digital Design and Fabrication (DDF)

Tenure-Track Prof. Moritz Dörstelmann, Erik Zanetti, Eszter Olah, Daniel Fischer

Professur design of structures (dos)

Prof. Dr.-Ing. Professor Riccardo La Magna, Tamara Haußer, Gianluca Casalnuovo

Student:innen des  M.Sc. Kurses “Digital Wicker 2.0”:

Teodora Bondar, Elisabeth Genest, Shunze Hou, Alicia Pizzignacco, Cesar Antonio Requejo Peña, Lara Sodomann, Kalin Yanev

Mit der Unterstützung von:

Fanny Kranz, Javier Fuentes, Michael Kalkbrenner, Maximilian Granjon, , Kevin Lang, Fatemeh Shafiee, Annalena Thessmann